Mr
Winder, zu Ihrer Heimat befragt, ist Ihre Antwort immer nur: ”Cumbria”. Wo liegt das? Wie sieht es da aus?
Aber Cumberland Soße sagt Ihnen etwas? Na also. Cumbria ist
Cumberland und in Cumbria ist der Lake District, eine der
wildesten und schönsten Landschaften in England. Ein beliebtes
Urlaubsziel übrigens auch für Ihre Landsleute. Dort leben wir.
Halten und
züchten Sie deshalb Lakeland Terrier, weil das der regionale
Jagdhundtyp ist?
Ja, sicher, der Lakeland ist auf die
Fuchsjagd in diesem Gebiet spezialisiert. Er entspricht in allem
dem Hund, den wir für die Jagd brauchen: dichtes harsches Fell,
starke Kiefer und gute Nackenmuskulatur. Mit meiner Zucht habe
ich mich außerdem auf schokoladenbraune Lakelands verlegt.
Sind das Merkmale,
die Sie bei allen Arbeitsterriern voraussetzen? Während des
Richtens fiel mir auf, wie sorgfältig Sie bei jedem Jack Russell
im Ring Fell und Gesicht kontrolliert haben.
Gesicht?
Ich hatte den
Eindruck, Sie schauen jedem Hund tief in die Augen ...
Das mache ich immer, bei jedem Hund, der mich interessiert.
Zunächst kann ich so den Unterkieferknochen und das Gelenk
abtasten, die Muskeln fühlen und dann kann ich dem Hund ansehen,
ob er’s in den Augen hat.
Was?
Kann
ich nicht sagen, ich sehe es ihm eben an, ob er innendrin Terrier ist.
Ja, und das Fell ist mir deshalb so wichtig, weil wir bei Kälte,
Wind und Regen oft an die drei Stunden Fußmarsch haben, bis wir
zu den Fuchsbauten kommen, die wir bejagen. Bis dahin dürfen
unsere Hunde noch nicht nass sein bis auf die Haut, sonst können
sie dann nicht mehr arbeiten. Da wo wir jagen, kann uns auch
kein LandRover mehr hinbringen, da geht’s nur noch zu Fuß. Wir
arbeiten ganz anders als die im Süden oder sonstwo in England
und unsere Terrier deshalb auch. Das Gelände ist steil und
felsig, da muss sich der Hund im Bau alleine weiterhelfen, den
Fuchs unter der Erde abtun und herausziehen. Wir können oben in
den Bergen einfach nicht graben oder irgendwie dem Terrier im
Bau helfen. Deshalb braucht er mehr Aggression und mehr Kraft im
Kiefer und im Nacken als andere Arbeitsterrier.
Halten Sie auch
Jack Russells?
Ja, aber die müssen die gleichen
körperlichen und mentalen Anforderungen erfüllen, wie meine
anderen Hunde.
Also weiße Lakelands
Nein, starke Russells.
Ihre Art zu Jagen hört sich ziemlich anstrengend und zeitaufwändig
an. Sind Sie Berufsjäger?
Dann wären wir schon
verhungert. Nein, ich gehe nach der normalen Arbeit und am
Wochenende zur Jagd.
Im
Unterschied zu den Shows, die Sie in England richten, wie fanden
Sie die Russells, die sie hier gesehen haben?
Gesehen oder gerichtet?
Gerichtet
Erstaunlich gut. Und zwar alle.
Es waren
keine Hunde dabei, die mich wirklich enttäuscht haben. Insgesamt
hätte ich hier nicht so viele gute Jack Russells erwartet. Das
hat mich gefreut.
War es für Sie,
verglichen mit England, ein großer Unterschied, hier in
Deutschland zu richten?
Ganz sicher. Wenn ich auf einer englischen Terrier-Show richte,
kennen mich vorher schon die meisten Aussteller und bringen von
vorneherein die Hunde mit, die sie für meine Favoriten halten.
Hier bin ich neu, hier kennt mich fast niemand. Die Leute waren
also ganz unbeeinflusst und haben mitgebracht, was sie für ihre
besten Russells hielten. Für mich war das viel angenehmer. Ich
hoffe, ich habe niemanden enttäuscht. Aber ich habe schon als
Antje Heller mich wegen der Show angerufen hat, gefragt, ob es
hier irgendwelche Besonderheiten gibt, ob ich nach
Parson-Standard richten soll oder sowas.
Und, welche Anweisungen haben Sie bekommen?
Keine. Ich sollte nach
Edwin-Winder-Standard richten.
Wie sieht der denn aus?
Naja, eben Jack Russells nach
ihren traditionellen Arbeitsterrierkriterien.
Sie hatten doch
früher schon Jack Russell Terrier Shows auf dem Kontinent
gerichtet.
Sicher, aber zwischendurch ist irgendwie das Gerücht entstanden,
ich sei gestorben, da bin ich offensichtlich in den letzten paar
Jahren in Vergessenheit geraten ...
???
Naja, bei einem Jagdunfall wurde mir fast eine Hand abgerissen,
jedenfalls mussten wir zu Fuß zurücklaufen und dabei ist schon
viel Blut getropft ... Irgendwie ist der Unfall im Jägerlatein
immer schwerer geworden, bis mich in Holland bei einer
Ausstellung jemand in der Menge entdeckt hat und laut durch die
Halle rief: “Sie leben ja noch! Edwin, bist Du das, ich hab
gedacht, Du wärst tot.” Da hab ich dann gewusst, warum ich nicht
mehr zum Richten eingeladen wurde.
Schon
ziemlich makaber, oder?
Ich
lebe ja noch. Die Leute in Cumbria sind zäh, wissen Sie.
Fanden Sie das Richten beim Festival sehr anstrengend?
Nein, eher locker
und angenehm. Die Leute waren alle gut drauf. Sicher kamen
manche und wollten wissen, weshalb ich so und nicht anders
entschieden habe. Aber das waren interessierte Fragen und keine
Nörgelei. Das hat mich sehr gefreut. Ich habe zudem erfahren,
dass bei Ihnen die Zuchterlaubnis nicht an eine Platzierung
gebunden ist. Vielleicht waren die Leute deshalb auch so locker.
Mancher hat sich ja sicher eine bessere Platzierung vorgestellt.
Aber wichtig ist mir, dass jeder überzeugt ist, sein Hund ist
gewissenhaft und fair beurteilt worden.
Anm.: Das Interview
mit Mr Winder ist übersetzt und redaktionell nachbearbeitet,
entspricht in Formulierung weitgehend und im Inhalt vollständig
des Antworten von Mr Winder.
Anette Otterbach
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